Harald Schmidt und Bernd Gnann begeistern im Kammertheater

Dass Fernsehlegende Harald Schmidt – so wie Bernd Gnann auch – aus Schwaben stammt, hört manseiner geschliffenen Sprechweise überhaupt nicht mehr an. Gnann dagegen „schwäbelt“ mithörbarem Vergnügen. Beide zusammen auf der Bühne des Karlsruher Kammertheaters zu erleben,ist ein seltener Glücksfall. Das Haus war prompt ausverkauft.

Vorbereitet hatten die beiden angeblich nichts. Zwei Sessel, ein Tischchen, sowie der virtuos Akkordeonspielende Ernst Kies alias „Igor“ an der Seite, das reichte für den Abend mit dem ebenso schlichten wiezutreffenden Titel „Harald Schmidt schwätzt mit Bernd Gnann“. Erinnerungsselig, natürlich, denn die Ideezu dem Abend entstand beim Treffen auf der Trauerfeier für den Leiter der Schauspielschule, an der beidestudierten. Aus 800 Bewerbungen wurden nur jeweils 8 angenommen. Schmidt segelte nach eigener Aussagemit der Überzeugung ins Vorsprechen, man müsse dankbar sein, ihn zu bekommen. Gnann dagegen hatteschon eine Stelle als Chemielaborant.

Es geht um alles und nichts
Geschwätzt wurde über alles und nichts, außer den bewusst ausgenommenen Krieg in der Ukraine. Derbestens gelaunte Harald Schmidt hätte den Abend auch solo bestreiten können und zeigte sich äußerstgeschickt darin, Bernd Gnann die Gesprächsführung abzunehmen, weil ihm spontan etwas Lustiges zueinem völlig anderen Thema einfi el. Geldanlage zum Beispiel, Schmidt hält Aktien, Gnann gehört halbKarlsruhe – wenn man der fröhlichen Schmidt’schen Übertreibung glauben will. Als Beobachtermenschlicher Eigen- und Unarten ist Harald Schmidt schwer zu übertreffen und sorgte für viele Lacher.Elternabend zum Beispiel, eine Veranstaltung, bei der Schmidt der einzige Vater ohne einen men’s bun(Haarknoten bei Männern) oder eine in die Höhe ragende Haarpalme ist.

Brillante Lästerzunge
Als brillante Lästerzunge schoss Harald Schmidt einige Pointen in Richtung Gendern und politischeKorrektheit. Konsequent zu Ende gedacht, müsste man die Mainzer Karnevalslegende Ernst Neger ja jetztErnst People of Colour nennen… Immer wieder wurde das Publikum einbezogen zu Spontanumfragen, undumgekehrt waren auch Fragen an Schmidt und Gnann erwünscht. Auch hier war die Themenvielfalt großund reichte von „Darf man denn heute noch alles sagen?“ – „Aber ja, man muss es nur anders formulieren“bis zu „Tragen Sie Sockenhalter?“ Eine hervorragende Frage, Harald Schmidt zog kurzerhand die Hosenhoch bis über die Knie, präsentierte seine Kniestrümpfe und plauderte amüsant über Strümpfe, Socken undFachverkäuferinnen.
Im Grunde kann Schmidt aus dem Stand amüsant über wirklich jedes Thema plaudern. Im Zuschauerraumsaß ein Internist, der Schmidt aus der gemeinsamen Zeit im Studentenheim kannte und rief, Schmidt seischon immer so gewesen. Die Arbeitsteilung im Studentenheim sah so aus, dass andere kochten, den Weinmitbrachten oder eine Mutter hatten, die für alle Leckeres eingekauft hat. Schmidt revanchierte sich durchunterhaltsame Monologe und Freikarten fürs Theater. Unterhaltung ist schon damals Element gewesen undbis heute geblieben.

Theatermann durch und durch
Bernd Gnann dagegen ist Theatermann durch und durch, er spielte lange am Stuttgarter Staatstheater,stand und steht fürs Fernsehen vor der Kamera, spricht Dokus für Arte ein, und betreibt nicht zuletzt dasKammertheater in Karlsruhe. Sein Hintergrund ist geprägt von der Kindheit auf einem Bauernhof in einergroßen Familie. Zur Freude des Publikums kann Gnann dem viel Unterhaltsames abgewinnen. Das Lied vomSchüttstein zum Beispiel, auf die Melodie des russischen Volkslieds „Kalinka“, rasant vorgetragen vonGnann und „Igor“ Ernst Kies. Oder die interaktive Ballade von Horst dem Hahn, dessen tragisches Schicksaldas Publikum lautmalerisch unterstrich, indem es auf Gnanns Zeichen hin in die vorher verteilten Karottenbiss. Über zwei Stunden vergingen wie im Flug, und Harald Schmidt hätte gern noch weiter geplaudert.

© Nike Luber, Rheinpfalz, 21.03.2023